Mysterien der (digitalen) Kommunikation/ Teil 1: Von Fluten umbrandet

Vielleicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen: Sobald man es mit anderen Leuten zu tun hat, geht es los mit den Fallstricken der menschlichen Kommunikation. Dabei scheinen oft unsichtbare Mächte zu wirken: Harmlos gemeinte Bemerkungen sorgen manchmal bei den Zuhörern für ungeahnte Entrüstungsstürme, während flammende Appelle mit einem Gähnen oder Achselzucken quittert werden. Irgendetwas scheint da oft nicht zusammenzupassen und für Missverständnisse und Ärger zu sorgen. Natürlich ist dies kein neues Phänomen, doch haben die  technischen Veränderungen unserer modernen Welt nicht unbedingt zu einer Entspannung auf dem Minenfeld der Kommunikation gesorgt. Denn in den digitalen Medien fehlen die oft klärenden und entschärfenden Faktoren wie Mimik und Gestik, was die Lage noch komplizierter macht. Ist es also ein Wunder, dass viele Menschen sich durch diese Form der Kommunikation gestresst fühlen, vor allem dann, wenn die digitale Flut nonstop heranzustürmen scheint?

„Handlung wird allgemein besser verstanden als Worte. Das Zucken einer Augenbraue, und sei es noch so unscheinbar, kann mehr ausdrücken als hundert Worte.“ (Charlie Chaplin 1889-1977)


Um Sie auf das heutige Thema einzustimmen, haben wir ein kleines Gedankenexperiment vorbereitet:

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem schönen Sommertag vor Ihrem Haus auf einer Bank und betrachten die vorbeilaufenden Passanten. Wie es der Zufall will, kennen Sie alle dieser Leute von irgendwoher.
Als erstes entdecken Sie eine ehemalige Kollegin, die Sie seit 15 Jahren nicht mehr gesehen haben. Sie winken erfreut, rufen ihr einen Gruß zu und fragen, wie es ihr denn so gehe. Doch statt einer Antwort wirft Ihnen die Bekannte wortlos einen Stapel ziemlich abgenutzter DVDs auf die Bank. Und gleich noch eine Sammlung mit ihrer privaten Urlaubsfotos hinterher. Dann enteilt die ehemalige Kollegin schweigend und lässt Sie leicht irritiert zurück.

Als nächstes sehen sie eine alte Freundin und sagen ihr, wie sehr Sie sich schon auf die nächste Fahrradtour mit ihr freuen. Woraufhin diese ihnen schweigend stapelweise Cartoonseiten einer Zeitung, eine neue Auswahl an DVDs sowie diverse Werbebroschüren von ihren Freunden zuschleudert. Und schon ist sie wieder weg, was Ihrerseits zu noch mehr Ratlosigkeit führt.

Nun kommt eine weitere Bekannte des Wegs und Sie fragen, ob sie schon gesehen habe, wie schön die Forsythien dieses Jahr blühen. Als Reaktion reckt die Frau ihre beiden Daumen nach oben, wirft Ihnen Fotos ihres eigenen Gartens zu und läuft zu Ihrem Erstaunen wortlos weiter. So langsam gehen Ihnen diese Leute mächtig auf die Nerven, doch die Parade der Merkwürdigkeiten ist noch lange nicht vorbei: Eine Kollegin flaniert auf und ab, hält allen anderen ein Fotoalbum mit den Höhepunkten ihres letzten Urlaubs vor die Nase und wirft jedem kommentarlos einen Satz Fotos zu.

(Der Stapel, auf dem sich all dieser Plunder neben Ihnen türmt, wird übrigens immer höher.)

Wer würde sich über solche Mitbringsel freuen?

Inmitten des Getümmels kreischt eine langjährige Freundin lauthals „Fleischesser sind Mörder!“; eine andere skandiert „Hunde sind besser als Menschen!“. Alldieweil eine Dritte eine flammende und lautstarke Rede darüber hält, dass alle Mitglieder des Tennisclubs egoistische Scheusale sind, die anderen die Platzreservierungen vor der Nase wegschnappen und alle Anwesenden dazu auffordert, diese gemeinen Biester künftig zu schneiden. Als sie dagegen zaghaft Einspruch erheben, weil Sie diese Leute nicht einmal kennen, schubst Sie die Frau wütend ins Haus und kreischt, dass Sie nun nicht mehr Ihre Freundin sei.

Jetzt platzt Ihnen doch der Kragen und Sie fragen sich, ob Sie bei den Dreharbeiten eines  Science Fiction Films über die Invasion von Aliens gelandet sind. Oder handelt es sich gar um einen Streich mit versteckter Kamera?

Lösen wir das Rätsel: Bitte lesen Sie unsere Geschichte noch einmal und tauschen Sie im Text lediglich einige Wörter aus. Das Wort „DVD“ ersetzen Sie wahlweise mit „youtube- oder Tictoc-Video“; „Werbebroschüre“ mit „Empfehlungen“; sämtliche  Bezeichnungen von Printerzeugnissen mit „Links“, „ins Haus schubsen“ mit „als Kontakt blockieren“ sowie die Eingangssituation „auf der Bank sitzen“ mit „bei whatsapp einloggen“. Nur die Fotos bleiben Fotos.
Kommen Ihnen jetzt einige der geschilderten, nicht gerade angenehmen Verhaltensweisen plötzlich überaus bekannt vor? Beginnt Ihr innerer Alarm vielleicht gerade leise zu klingeln? Dann sind wir genau beim Kern unseres Beitrags angelangt: dem Nervfaktor von Messengerdiensten.

Der Platzhirsch whatsapp

Unter den sogenannten „Messengern“ für Smartphones ist whatsapp mit Abstand federführend. Selbst die vielen kritischen Berichte über den salopp gehandhabten Datenschutz dieses Produkts aus dem Hause Zuckerberg führen leider nicht an der Tatsache vorbei, dass die Allermeisten sich dort mit Freunden und Bekannten vernetzen wollen. Wer mit ihnen in Kontakt bleiben will, installiert sich diese App eben irgendwann notgedrungen selbst. Hat man dann (was die Regel ist) mehrere Handynummern von Leuten gespeichert, die ebenfalls bei whatsapp registriert sind, geht es auch schon los mit dem digitalen Geplauder.
Das muss nicht immer schlimm werden. Wenn Sie Glück haben, bleiben Ihre Kontakte einigermaßen auf dem Teppich. Doch wenn Sie Pech haben, trudelt nun täglich ein Potpourri von „Nachrichten“ der Sorte ein, die im guten alten E Mail-Postfach irgendwann automatisch in den Spamordner umgeleitet worden wäre.

Das Phänomen dabei ist, dass Verhaltensweisen, die im realen Leben tabu sind und von kaum jemandem toleriert werden, wie zum Beispiel das unentwegte Abhalten von Monologen, in Messengern hingebungsvoll und ungestört zelebriert werden.

Mit fatalen Folgen für all diejenigen, denen diese digitalen Flut unheimlich auf die Nerven geht. Es gibt ja durchaus Menschen, mit denen man auch in der digitalen Welt auf eine angenehme Weise kommunizieren kann. Doch was soll man tun, wenn man sich nicht komplett aus dem Messengerdienst verabschieden will, einem die geschilderten Verhaltensweisen einiger Bekannter dort furchtbar auf den Wecker gehen? Ganz zu schweigen von dem lähmenden Gefühl durch das Fehlen nonverbaler Reaktionsmöglichkeiten, die im realen Leben wenigstens das eine oder andere kommunikative Problem sichtbar machen!

Was ist anders in der digitalen Welt und wie kann man dort seine Nerven schonen, ohne gleich reihenweise Kontakte zu „entfreunden“?

In Teil zwei dieser Artikelserie begeben wir uns deshalb auf Spurensuche in der freien Wildbahn eines Smartphone-Messengers.

Sie möchten gerne mehr über diese und andere spannende Aspekte der Kommunikation erfahren? Wann dürfen wir Sie bei Ihrem Weg durch die digitale Brandung unterstützen?

Wir freuen uns, Sie ganz unverbindlich über unsere Workshops (online oder in Präsenz) zu informieren.
Nutzen Sie hierzu bitte unser Kontaktformular.

Barbara Gruber-Stahl, M.A.

(Fotos: Pixabay)

(Originalartikel erschien im Februar 2021)

©Copyright: Barbara Gruber-Stahl 2023, alle Rechte vorbehalten

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