Wenn das Gruseln per Handy ins Kinderzimmer einzieht/ Teil 2: Was tun?

Es ist passiert: Das Gruseln aus dem Internet ist im Kinderzimmer angekommen. Wie sollen Eltern jetzt reagieren?

Internetforen sind voller guter Ratschläge, was die Regelung der Nutzung von Smartphones durch Kinder betrifft. Diese Tipps sind zwar meist fachlich fundiert und nützlich, doch erlebt man bei ihrer Umsetzung sehr oft, dass in der Theorie alles ganz einfach aussieht, aber dann…

An dieser Stelle nochmals unser Appell an die Eltern von Grundschülern:
Kinder im Grundschulalter sollten das Internet grundsätzlich NUR in Gegenwart ihrer Eltern nutzen!

Speziell bei der Frage, was man als Eltern unternehmen soll, wenn ein Kind traumatisierenden Inhalten im Netz ausgesetzt war, gestaltet sich die Suche nach praktikablen Tipps schwierig. Wenn „das Kind in den Brunnen gefallen ist“ und all die Ratschläge zum „sicheren Surfen bei Kindern“ versagt haben wird zumeist wird der Gang zum Jugendpsychologen empfohlen. Doch auf solche Termine wartet man meist sehr lange.

Was sollen Eltern also samstagabends um 20:30 Uhr tun, wenn das Kind sich weinend und zitternd an sie klammert und sich weigert, schlafen zu gehen aus Angst vor den Bildern, die dann auftauchen?

Eines vorweg: Wir sind keine Psychologen und möchten hier keinesfalls eine therapeutische Beratung ersetzen.

Doch nach vielen Gesprächen in Workshops mit betroffenen Eltern und Kindern können wir Ihnen aber zumindest ein paar Tipps für die „erste Hilfe“ geben, die bei anderen Betroffenen zur Linderung der Lage beigetragen haben:

  1. Nehmen Sie die Ängste und Sorgen Ihres Kindes ernst und versuchen Sie auf gar keinen Fall, diese ins Lächerliche zu ziehen oder Schadenfreude zu zeigen. Der Satz „Habe ichs dir nicht immer gesagt!?“ hilft weder Ihnen noch Ihrem Kind in dieser Situation. Es hat sich in der Regel nicht bewusst in diese Lage gebracht, sondern ist per Zufall oder durch Gruppenzwang dort hineingeraten. Manchmal kursieren Schockvideos nämlich über Klassenchats und sollen als „Mutprobe“ angeschaut werden. Seien Sie froh, wenn Ihr Kind Sie ins Vertrauen zieht! Dieses ist die Basis dafür, dass Sie überhaupt noch in seine digitale Welt hineinschauen und aus der Erwachsenenperspektive helfen darf.
  2. Schimpfen Sie das Kind nicht und versuchen Sie (auch wenn es schwer fällt) Ihren Zorn über die blöden Perverslinge im Internet zu zügeln. Was passiert ist, ist passiert und elterliche Wutausbrüche verschlimmern die Trauer und Angst Ihres Kindes noch weiter.
  1. Nehmen Sie Ihrem Kind das Handy nicht weg, außer, es will das Gerät von sich aus loswerden und beispielsweise in einer Schublade oder einem Karton erst einmal wegpacken. Das Handy ist ein Lieblingsspielzeug der Kids und wenn man den Eltern ein schlimmes Geheimnis verrät und dafür mit dem Entzug dieses Spielzeugs noch zusätzlich bestraft wird, wird man den Erwachsenen nie wieder ein solches Geheimnis verraten.
  1. Drängen Sie Ihr Kind nicht dazu, im Detail über das Erlebte zu sprechen. Wenn es dies tun möchte, hören Sie zu, ohne es zu verurteilen. Wenn es die Geschichte lieber erst einmal für sich behalten will, akzeptieren Sie dies. Vielleicht soll auch erst einmal der Lieblingsteddy hören, was passiert ist oder es werden Stichpunkt auf einem Block aufgeschrieben und später eventuell den Eltern zum Lesen gegeben.
  1. Fragen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter, wie Sie als Eltern ihm oder ihr helfen können. Unterschätzen Sie nie die Intelligenz Ihrer Sprößlinge! Auch jüngere Kinder wissen meist sehr genau, was ihnen gut tut. Vielleicht möchte das Kind einfach nur in die Arme genommen werden. Vielleicht will es das Handy erst einmal einige Tage ganz ausschalten. Vielleicht will es aber auch die App, über die der Schrecken ins Kinderzimmer einzog, ganz von seinem Handy löschen. Es gibt viele Möglichkeiten!
  1. So schlimm es klingen mag und so sehr man als Eltern seine Lieben davor beschützen möchte: Es gab schon immer scheußliche Dinge und böse Menschen auf der Welt. Doch während man damit früher über die Filmesammlung älterer Geschwister konfrontiert werden konnte oder sich die ganz Kleinen vor Märchen gruselten, kommt die Sammlung des Grauens heute per Klick über das Internet frei Haus. Machen Sie sich und Ihr Kind deshalb nicht verrückt. Auch die Wunden durch den erlittenen Schrecken heilen und wenn es nötig ist, muss ein Kinderpsychologe dabei helfen.
  1. Besprechen Sie gemeinsam, wie man solchen schlimmen Erlebnissen künftig vorbeugen kann. Signalisieren Sie Ihre Überzeugung, dass es zwar schlimme Dinge gibt, aber man sich auch davor schützen kann. So können Sie beispielsweise vereinbaren, dass Ihr Kind ein „komisches“ Video sofort stoppt oder gruselige Bilder wegklickt. Damit stärken Sie nicht nur den Instinkt Ihres Kindes (der dann meist sehr zuverlässig meldet, wenn etwas „komisch“ ist), sondern auch dessen Kraft und Selbstbewußtsein, sich selbst zu schützen.
  2. Seien Sie ein gutes Vorbild, ohne selber einen „Verfolgungswahn“ zu entwickeln. Nicht jeder explodierende Kochtopf bei Sponge Bob löst ein Trauma bei Ihren Kids aus. Doch wenn sich ein im TV angepriesener angeblicher „Familienfilm“ als kompletter Bockmist entpuppt, kommunizieren Sie dies ruhig und schalten Sie diesen Kram einfach ab. Mit Müll würde man sich doch auch im richtigen Leben nicht umgeben!

Allgemeine Informationen zu jugendgefährdenden Inhalten im Internet finden Sie in Teil 1 dieser Artikelserie.

Falls Sie weitere Tipps für Betroffene oder Anmerkungen zum Thema haben, nutzen Sie gerne die Kommentarfunktion dieses Blogs!

©Copyright: Barbara Gruber-Stahl 2021, alle Rechte vorbehalten

Weiterführende Links:

https://www.nummergegenkummer.de/

https://www.klicksafe.de/presse/klicksafe-werbespots/download-wo-ist-klaus/

https://mobilsicher.de/ratgeber/youtube-im-internet-laeuft-etwas-schief-essay-james-bridle

https://www.spektrum.de/news/macht-gewalt-in-unterhaltungsmedien-aggressiv/1360548

https://www.kindergesundheit-info.de/themen/medien/medienwahrnehmung/aengste-verstoerung/

https://www.bbc.com/news/blogs-trending-39381889

https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=9182

https://www.internet-abc.de/eltern/gewalt-spiele-videos-wirkung-auf-kinder/

https://www.internet-abc.de/eltern/gewalt-spiele-videos-wirkung-auf-kinder/

https://weisser-ring.de/media-news/news-pressemitteilungen/01-10-2013

https://www.focus.de/digital/internet/echte-bilder-noch-schlimmer-als-horrorfilme-psychologe-warnt-gewaltvideos-sind-wie-eine-psychodroge_id_7826421.html

https://www.polizei-dein-partner.de/themen/schule/detailansicht-schule/artikel/gewaltvideos-im-schulalltag-und-wie-man-damit-umgeht.html

 

Fotos: Pixabay

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