Gelegenheit macht Diebe – auch beim Datenklau


Identitätsdiebstahl ist kein Kavaliersdelikt
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Laut Bundeskriminalamt ist die Tendenz der Cyberkriminalität in Deutschland seit Jahren steigend. Kein Wunder, denn nie war es einfacher, an die erforderlichen Daten zu gelangen. Diese Entwicklung sollte eigentlich zu denken geben und für etwas mehr Sensibilität gegenüber diesem Thema sorgen. Im Freundes- und Bekanntenkreis löst man bei entsprechenden Hinweisen jedoch meist allgemeine Heiterkeit aus. „ICH habe doch nichts zu verbergen!“ liegt wohl auf Platz 1 der meistgehörten Konter. Platz 2: „Bei mir gibt es nichts zu holen“ dicht gefolgt von „Mich kennt sowieso niemand, bin ja nicht prominent. Wer soll sich schon für meine Daten interessieren?“.
Zeitgleich summt das Smartphone der Betreffenden im Sekundentakt und unterbreitet per App die neuesten Nachrichten aus diversen Social Media-Plattformen oder Verkaufsapps. Alles ganz praktisch in einem Gerät und einer Handynummer gesammelt, damit man stets über das Allerneueste informiert wird – toll, oder etwas nicht?

Auch meine Freundin Birgit (sie heißt natürlich nicht so, doch ich musste ihr schwören, nicht ihren richtigen Namen zu nennen) fand die „Datenschutz-Hypersensibilität“ einiger Leute ein bis vor kurzem ein wenig übertrieben. Heutzutage wisse doch sowieso jeder alles über den anderen und deshalb würde man in der Masse einfach untergehen. Trotzdem würde sie ihre Handynummer natürlich nicht jedem herausgeben und auch im Internet sei sie vorsichtig mit ihren Daten.

Bis dann an einem schönen Samstagmorgen Birgits Blutdruck in ungeahnte Höhen schnellte, als sie ein wenig genutztes Email-Postfach öffnete. Ein bunter Strauß an Mails erwartete sie dort. Versandt am Vortag im Minutentakt von einem mit diesem Postfach verknüpften Verkaufskonto bei Ebay Kleinanzeigen. Zu ihrem großen Erstaunen erfuhr sie nun, dass sie dort angeblich zwei landwirtschaftliche Maschinen zum Verkauf angeboten habe, für die es bereits mehrere Interessenten gab.

Und nein: dies waren keine Fake-Nachrichten böswilliger Trolle, sondern sie stammten (wie sich bestätigte) tatsächlich von einem ihrer eigenen Accounts. Nach der ersten Schrecksekunde fiel Birgit nämlich ein, dass sie vor Jahren einen Zweit-Account auf der betreffenden Plattform eingerichtet hatte. Damals, als sie den schönen alten Holzsekretär von Oma Ilse verkaufen wollte. Auf ihrem ersten Account bot sie damals vor allem Spielsachen an, weshalb eventuelle Interessenten vielleicht an der Echtheit des Möbelstücks und ihrer Seriosität als Anbieterin zweifeln könnten. Dachte Birgit jedenfalls und richtete sich einen weiteren Account nur für diesen einen Verkauf ein. Nachdem sie für das gute Stück einen Käufer gefunden hatte, vergaß ihn die Freundin völlig.

Doch das Internet „vergißt“ leider nichts und düstere Gestalten nutzen genau dies aus. Nach Durchsicht der vielen Mails kam bei Birgit leichte Panik auf. Angeblich hatte sie ihr Passwort erneuert und einer der vielen Kaufinteressenten hatte seine Handynummer durchgegeben. Was, wenn bereits eine Geldüberweisung stattgefunden hatte und der Käufer nun die Ware einforderte? Was, wenn bei Ebay Kleinanzeigen ihr richtiger Name, ihre Telefonnummer oder gar ihre Adresse hinterlegt waren? Würden nun wütende Käufer vor ihrer Türe aufmarschieren und ihr Geld zurückfordern? Wer weiß schon nach vielen Jahren der Abwesenheit genau, welche Daten dort hinterlegt wurden?

Panisch loggte Birgit sich in ihrem Account bei Ebay Kleinanzeigen ein. Immerhin funktionierte ihr altes Passwort noch und so konnte sie sich einen Überblick über die Geschehnisse auf ihrem gekaperten Verkaufskonto verschaffen:

Zu einem Geldtransfer war es offensichtlich nicht gekommen und einige Interessenten hatten bereits erkannt, dass hier ein Betrüger (allerdings über Birgits Account!) unterwegs war und ihrem Unmut per Mail kundgetan.

Glücklicherweise hatte meine Freundin wegen der vielen Feilsch-Anfragen von Anhängern der „Geiz-ist-geil“-Fraktion seinerzeit ihre Telefonnummer und ihre Adresse aus diesem Account gelöscht und nur einen Aliasnamen (er stammte aus einem Märchenbuch ihrer Kinder) zur Kontaktaufnahme angegeben.

Doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn Birgit entdeckte, dass ihre Mailadresse für Hacker sehr wohl sichtbar war (sie konnten ja auf dem gekaperten Konto offenbar agieren, als ob es ihr eigenes wäre). Genau dieses Postfach nutzte Birgit leider auch zum Einkaufen und für Paypal. Was, wenn nun auch dieses gehackt und von Betrügern benutzt würde? Auch der Wiederherstellungscode für andere Konten lief über dieses Postfach und das damit vernetzte Handy… Nahm dieser Alptraum denn kein Ende?

Schließlich weiß man ja nie, welche Vernetzungen solche Typen aufspüren und wofür sie sie nutzen. Jetzt wurde es Birgit doch ziemlich flau im Magen. Es half alles nichts: anstatt einen vergnügten Samstagvormittag mit der Familie zu verbringen, machte sie sich zähneknirschend ans Werk, um sämtliche Passwörter zu ändern. Nicht nur jenes bei Ebay Kleinanzeigen, sondern auch das ihres Postfachs, ihres Handys sowie sämtlicher Online-Accounts und Apps, die mit diesem Postfach vernetzt waren und und und. Außerdem nahm sie Kontakt mit dem Provider Ebay Kleinanzeigen auf und meldete, dass ihr Account von Betrügern übernommen worden war. „Nenn‘ mich ruhig neurotisch“, meinte sie später„aber mir war das alles zu brenzlig.“

Begleitet wurde Birgits durchaus zeitintensive Arbeit von herzhaften Flüchen über die Mistkerle, die ihr diesen Samstag verdorben hatten, doch langsam besserte sich ihre Laune wieder. Zumindest solange, bis ihr einfiel, dass die Betrüger ja auch direkt per Telefon mit dem übrig gebliebenen Kaufinteressenten verabredet und ihm sein Geld abgeluchst haben konnten. Kaum war ein Problem durch den Datenklau aus der Welt, zeichnete sich das nächste am Horizont ab. Wie wahrscheinlich war es, dass weiter mit Ihrem Account Schindluder getrieben worden war? Sollte sie jetzt selbst mit dem Interessenten, der seine Telefonnummer durchgegeben hatte, Kontakt aufnehmen?

Zum Glück erinnerte sich Birgit daran, dass einer ihrer Bekannten im Referat für Internetkriminalität arbeitet und fragte diesen um Rat. Seine Empfehlung: auf jeden Fall Anzeige erstatten, selbst wenn auf den ersten Blick kein finanzieller Schaden entstanden ist. Man wisse nicht, was noch komme und wofür die geklaute Identität genutzt werde. Nur durch eine Anzeige könne man nachweisen, dass man nicht selbst in krimineller Art und Weise unterwegs sei. Außerdem sei es für die Ermittlungsarbeit der Polizei durchaus interessant, wann und wo sich solche Fälle regional häuften. In einigen Bundesländern könne man diese Art von Delikten überdies zeitsparend online anzeigen.

Den betreffenden Link schickte der Kommissar gleich mit und so konnte Birgit sich erneut ans Werk machen. Da sie bereits alle Mails sowie alle sichtbaren Kontendaten per Screenshot gesichert hatte, konnte sie diese gleich per Anhang zu ihrer Anzeige hinzufügen. Immerhin konnte sie jetzt nachweisen, dass ihr Konto gehackt wurde und sie unverzüglich gehandelt hatte.

Etwa zwei Wochen später erhielt Birgit einen Anruf von einer Polizistin der örtlichen Polizeidirektion, die sie über den aktuellen Stand der Ermittlungen informierte. Die Täter habe man noch nicht ausfindig machen können und die Erfolgsaussichten hierfür seien gering. Trotzdem sei es sehr wichtig, Anzeige zu erstatten. Nur so könne man größeren Schaden von den Opfern abwenden und wisse über die neuesten Maschen der Betrüger Bescheid. In Birgits Fall war der Kaufpreis der angeblich zum Verkauf stehenden Landmaschinen so niedrig gewesen, dass die Interessenten von sich aus hellhörig geworden waren (das hatte sie ja bereits aus den Beschimpfungen in ihrem gekaperten Account erfahren). Der Interessent, der seine Handynummer genannte hatte, war von der Polizistin befragt worden. Glücklicherweise war er von den Tätern nicht mehr kontaktiert worden und hatte auch keine Zahlung geleistet.

Der Datenklau war also glücklicherweise glimpflich verlaufen.

„Für mich war das trotzdem eine Lehre“, verkündete meine Freundin bei unserem letzten Treffen. Wie ihre Recherche ergeben hatte, werden solche „verwaisten“, also längere Zeit nicht genutzten Accounts besonders gerne gehackt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: die Nutzer bemerken den Datenklau erst spät oder gar nicht. Währenddessen können die Betrüger ihre dunklen Geschäfte ganz ungestört im Namen der nichtsahnende Kontoinhaber abwickeln. Die dann nicht nur ihrer digitalen Identität beraubt wurden, sondern im schlimmsten Fall sogar für den Schaden haften dürfen, den andere in ihrem Namen angerichtet haben. Gelegenheit macht also auch im Internet Diebe.

Der Rat der Experten lautet deshalb:

  • Löschen Sie Accounts, die sie nicht mehr benötigen
  • Ändern Sie regelmäßig Ihre Passwörter
  • Verwenden Sie sichere Passwörter (1234517 ist keine gute Idee….)
  • Verwenden Sie für jedes Konto ein eigenes Passwort
  • Informieren Sie sofort den Provider, wenn ein Benutzerkonto gehackt wurde und lassen Sie dieses notfalls sperren
  • Indizien für ein gekapertes Verkaufskonto sind z.B. die Meldung über eine Passwortänderung oder zum Verkauf eingestellte Waren, die nicht von Ihnen veranlasst wurden
  • Erstatten Sie bei Datendiebstahl Anzeige. Entweder bei der Polizeistation in Ihrer Nähe oder online
  • Falls bereits ein Schaden entstanden ist, sollten Sie einen Anwalt einschalten
  • Und last but not least: Geizen Sie mit Ihren Daten! Es muss nicht jede/r Ihre Handynummer und Ihre Adresse haben, insbesondere nicht in öffentlichen Internetportalen, die für jeden x-Beliebigen einsehbar sind.

Barbara Gruber-Stahl, M.A.

Weiterführende Tipps finden Sie hier:

https://www.datenklau-hilfe.de/

https://praxistipps.chip.de/ebay-kleinanzeigen-gehackt-so-handeln-sie-jetzt-richtig_123793

https://online-strafanzeige.de/

https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/RichtigesVerhalten/StraftatenImInternet/Identitaetsdiebstahl/identitaetsdiebstahl_node.html

https://www.datenschutz.org/identitaetsdiebstahl/

https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Cybercrime/cybercrimeBundeslagebild2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4

 

Bilder: Pixabay

©Copyright: Barbara Gruber-Stahl 2022, alle Rechte vorbehalten

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